Restauration eines antiken Röhrenradios von 1962:
Vor einiger Zeit bin ich im Internet über ein antikes Röhrenradio gestolpert. Da man der alten Röhrentechnik ein sehr gutes, harmonisches und ausgewogenes Klangbild nachsagt und heutige moderne HIFI-Röhrenverstärker sündhaft teuer sind (warum eigentlich?), habe ich mich entschlossen, dieses gute Stück zu restaurieren.
Zuerst schaute ich nach, was ich alles dafür benötigte: Trenntrafo, Oszilloskop und Meßgeräte waren in meinem Repertoire
vorhanden. Außer wenigen diversen Bauteilen und Schaltplan, die ich nicht auf Lager hatte, habe ich eigentlich alles dafür.
Für die Holzbearbeitung half der nahegelegene Baumarkt weiter.
Also fing ich an und machte erst ein paar Fotos des Originalzustandes:
Das Gehäuse sieht schon stark mitgenommen aus. Flecken, Kratzer, Schrammen und Furnierschäden zieren es von oben bis unten.
Herrlich verkeimt die Drehknöpfe: Der schwarze Dreck in den Fugen gehört da nicht hin.
Zumindest sind alle Drehknöpfe vorhanden und die Skalenscheibe ist nicht gebrochen, obwohl sie schon von hinten anfängt abzublättern.
Ansicht von oben und von der Seite. Schrammen soweit das Auge reicht. Hier wird wohl eine einfache Politur nicht reichen...
Das Innenleben.
Beim Öffnen des Gehäuses kam mir eine lebende Spinne entgegengetorkelt, die wohl froh war, endlich wieder
Tageslicht zu sehen.
Was ist das?
Eine mit Alufolie überbrückte Sicherung? Der Vorbesitzer war wohl lebensmüde.
Dann stellte sich heraus, das die Sicherung unter dem Klumpen Folie viel zu mager dimensioniert war. Daher war sie wohl durchgebrannt. Anstatt eine richtige Sicherung zu besorgen, bastelte jemand dieses Kunstwerk aus Alufolie. Wer so etwas dauerhaft betreibt, muß schon starke Nerven haben. Bitte auf keinen Fall nachmachen!
Eigentlich war ich angenehm überrascht. Von weitem sah das Innenleben ganz annehmbar aus. Bei genauerem Betrachten lag über allen Baugruppen eine klebrige Fett/Staubschicht. Vielleicht stand das Radio einmal in einer Küche herum.
Ohh - ein abgerissener Widerstand. Der gehört doch wohl an den linken Pin des Ausgangsübertragers. Ein Blick in den Schaltplan bestätigt dieses.
Die Eingeweide von unten. Lötleisten und Bauteile wohin man auch schaut.
PHILIPS war wohl 1962 noch nicht auf Platinen umgerüstet. Der Tastensatz hat Ansätze von Rost und ein paar Bauteile müssen ausgetauscht werden.
Die blauen Elektrolytkondensatoren sind bestimmt schon trocken. Wetten? Ein Test mit dem Meßgerät bestätigt dieses.
Also sah ich mal genauer hin:
Wer versteckt sich denn hier?
Ein zu 99% defekter ERO - Teerkondensator. Der erste Austauschkandidat. Wenn der mal keinen Feinschluss hat.
Auch nicht schlecht:
Der große Becher-Elko 3x 50µF 350V mit 50Ohm 1Watt Lastwiderstand. Der Elko lief schon einmal aus. Das weiße Elektrolyt gehört nicht nach aussen.
Der Widerstand sieht auch schon rissig aus. Also raus und weg damit.
Betreibt man diesen Elko noch längere Zeit, kann es zur Explosion desselben kommen, abgesehen von dem Kapazitätsverlust. Ein heftiges Brummen des Radios wäre die Folge oder noch mehr zerstörte Bauteile. Daher werde ich den Elko ablöten, belasse ihn jedoch
für den optischen Gesamteindruck auf dem Chassis. Diesen Elko werde ich später durch 3 EPCOS-Hochvolt Elkos 3x 47µF 450V ersetzen.
Den Widerstand tausche ich mit einem neuen 2Watt 47Ohm Drahtwiderstand aus.
Gängige Praxis auch bei PHILIPS.
Die UKW-Senderwahl hier nicht mit Drehkondensator, sondern mit in Spulen versenkbaren Eisenkernen, aufgebaut als
UKW-Variometer. Hatte ich bis jetzt auch noch nicht oft gesehen.
Aber letztendlich ist es egal was man an einem Schwingkreis ändert. Die Kapazität oder Induktivität.
Hier der Drehkondensator für den AM-Empfang. Die Welle ist verharzt und damit schwergängig. Also muß das beliebte Kriechöl wieder herhalten. Nach dem Erwärmen und der neuen Schmierung ist die Welle des Drehkos wieder schön leichtgängig.
Abschliessend noch ein Foto vom total verkeimten und für Flugrost anfälligen Transformator. PHILIPS nahm zur Isolierung der Wicklungen gern diesen schwarzen Isolierstoff, bzw. tränkte seine Übertrager und Transformatoren in einer schwarzen Isoliermasse.
Soweit der Originalzustand. Nach dem Sicherungstausch nahm ich das Radio in Betrieb. Dies erfolge aus Sicherheitsgründen nicht über die normale Steckdose, sondern ich bemühte meinen Trenn-Stell-Transformator. Somit konnte ich die Netzspannung langsam und vorsichtig auf maximales Niveau (0 - 220 Volt) hochfahren.
Und es passierte: Nichts!
Es lag mal wieder am Sicherungshalter. Der hatte dermassen Wackelkontakt, das ich ihn erst mit einer Zange nachbiegen mußte. Somit war dieser Halter auch ein Fall für die Tonne.
Nachdem ich nun wieder eingeschaltet hatte, hörte ich nach einiger Zeit ein schwaches Rauschen und Knacksen. Alle Röhren wurden beheizt. Das magische Auge leuchtete nur noch mit 30%. Nach dem Drehen am Lautstärkeknopf und dem Balance-Regler krachten die Lautsprecher wild. Also muß ich auch die Schleifkontakte der Potis dringend reinigen. Ein ferner Radiosender auf UKW war zu hören. Jedoch machte dieses Krachen und Knacken dazwischen noch keinen Hörgenuss aus.
Achja - was war denn mit den Skalenlampen? Es leuchtete keine - also auch defekt.
Länger als eine Minute ließ ich das Radio auch nicht in Betrieb. Man weiß ja nie. Zuerst mußte ich alle defekten Bauteile finden und austauschen.
Also ging es mit der Reinigung des Chassis los. Wer will schon an einem klebrigen und verdreckten Bauteilträger arbeiten? Zu Hilfe nahm ich einen guten Platinenreiniger KONTAKT LR für das Chassis, welches ich mit in Platinenreiniger getränkte Wattestäbchen reinigte. Ich verbrauchte davon eine gefühlte Tonne. Alle Schleifkontakte reinigte ich mit TUNER 600 und danach mit KONTAKT 61. Auch die Kontakte des Tastensatzes. Die Mechanik wurde mit Rostlöser behandelt. Der Drehkondensator, sowie alle Wellen bekamen einen oder auch zwei Tropfen Kriechöl, bis sie allesamt wieder leichtgängig waren.
Nun sah das Chassis schon einmal sehr annehmlich aus. Der Glanz kam zurück:
Schnell noch ein Paar neue Skalenlampen eingedreht und den abgerissenen Übertragerwiderstand neu angelötet.
Jetzt flog auch der alte Sicherungshalter raus und wurde durch neue Sicherungsclipse ersetzt.
Gott-sei-Dank hatte ich noch neue Sicherungsclipse auf Lager. Und somit waren sie auch schon eingebaut.
Natürlich ohne Wackelkontakt! Wieder wie neu!
Ein nagelneues Netzkabel im alten Stil habe ich dann auch noch spendiert, da das alte Kabel bestimmt keiner VDE- und TGL- Norm mehr entsprach.
Jetzt konnte ich mich in aller Ruhe der Unterseite widmen:
Die rot umkreisten Bautele mußte ich gegen neue Teile tauschen, da die Originalen leider alle defekt waren. Wie es sich herausstellte, waren sogar einige der 0,5Watt Widerstände defekt.
Vor und nach dem Tausch des magischen Auges oder besser des magischen Bandes EM84, schloss sich das Band auch bei sehr starken Sendern niemals richtig, obwohl die gemessene Spannung der ZF-Stufe ausreichend sein müßte. (ca. -20 Volt)
Da das Band der alten Röhre schon eingebrannt war, konnte man gut erkennen, das sich das Band von Anfang an, auch bei starken Sendern, nie komplett schloss.
PHILIPS nahm die Steuerspannung für die EM84 über einen Spannungsteiler 2,7MOhm auf 1,5MOhm auf Masse ab. Ich ersetzte den 1,5MOhm Widerstand durch einen 4,7MOhm Widerstand.
Voila - bei dem stärksten Sender schloss sich das magische Band nun vollständig. Natürlich mußte ich ein wenig mit den Widerstandswerten herumexperimentieren, bis die Steuerspannung stimmte. Lag eventuell ein damaliger Konstruktionsfehler von PHILIPS vor?
Wie gesagt, an der ZF-Stufe war das Ausgangssignal auf normal hohem Niveau. Ein Tausch gegen eine neue ECH81 und EBF89 brachte auch nichts.
Nun war das Problem behoben und es konnte weitergehen:
Wie man schön erkennen kann, habe ich den alten Becherelko abgelötet und ihn durch drei neue EPCOS Hochvolt-Kondensatoren ersetzt. 3x 47µF 450V. Der alte 1Watt 50Ohm Drahtwiderstand mußte einem Neuen
2Watt 47Ohm
weichen. Den Kathodenelko der Endstufe habe ich ebenfalls durch einen neuen 100µF 35Volt Elko ersetzt.
Das sollte es an dem Chassis und der Elektrik gewesen sein. Technisch müßte es nun wieder ok sein. Also wieder den Trenntrafo angeworfen und die Spannung hochgedreht...
Was war das? Stille? Kein Kratzen und Knacken? Die Skalenlampen leuchteten. Nur ein ganz leises Rauschen? Stimmt etwas mit der Lautstärke nicht? Also Lautstärke voll aufgedreht und am Senderknopf gedreht...
Jetzt erschrak ich nun doch! Plötzlich brüllte mich das Radio mit einem kräftigen Sender an. Schnell drehte ich den Lautstärkeregler herunter und ich mußte warten, bis das Klingeln in meinen Ohren vorbei war.
Jetzt spielt das Radio wieder wunderschön. Alle Stufen arbeiten nun wieder einwandfrei. Die Klangregler funktionieren. Der Klang ist überragend, mit klaren Höhen und einem satten Bass.
Fehlt nur noch eins: Das desolate und mitgenommene Holzgehäuse.
Also habe ich es erst einmal gründlich vom Dreck gereinigt. Den Furnierschäden rückte ich mit passender Holzpaste,
Farbe Kirschbaum, zu Leibe.
Nun sind alle Stellen ausgebessert.
Am nächsten Tag ging es ans Eingemachte. Den alten Lack abschleifen.
Dazu habe ich 240er Schleifpapier genommen.
Sieht ganz schön nackig und traurig aus das Gehäuse. Aber bei den Schäden blieb mir nichts anderes übrig, als die Komplettkur.
Nun ist alles vorbereitet zum Beizen und Neulackieren. Auf den folgenden Bildern sieht man die Verwandlung:
Nach dreimaligem Lackieren und Trocknen konnte nun etwas Politur aufgetragen werden.
Jetzt sah das Gehäuse aus wie neu!
Nun konnte das Chassis mit den Lautsprechern wieder innen Platz nehmen.
Rückwand und Bodenplatte gereinigt und angeschraubt:
FERTIG.
Wie frisch aus dem Werk! Absolut wohnzimmertauglich! Und es spielt wieder mit einem wundervollen Klang!
Tja - hier die defekten Bauteile. Das die Elkos austrocknen ist ja noch plausibel. Aber die normalen 1/2Watt Widerstände? Auch hier hat die Alterung angefangen. Die Widerstandswerte sind entgegen dem Aufdruck viel zu hoch.
Unterm Strich: Das Radio spielt wieder und ist gerüstet für die nächsten Jahrzehnte.
Mission erfüllt.