Volksempfänger VE301W

Volksempfänger VE301W:

Restauration eines antiken Röhrenradios von 1933:

Nach gut zwei Jahren ohne Röhrenradio-Restauration kribbelte es bei mir wieder in den Fingern.
Somit entschloss ich mich für eine Restauration eines alten Volksempfängers aus dem Jahre 1933.
Geliebäugelt hatte ich einerseits schon lange mit diesem Typ. Nachdem mein alter Herr ebenfalls
von dieser Idee begeistert war und er sich auch noch an sein Gerät aus frühen Kindertagen erinnern
konnte, war die Idee zur Instandsetzung eines VE301W perfekt.

Nach wochenlangem Suchen bin ich endlich fündig geworden. Ein Volksempfänger aus dem Jahre 1933 ohne
äußere Gehäusebeschädigungen und originalen Bedienelementen ging mir zu.



Seinem Alter entsprechend sah das Gerät von außen noch ganz gut aus. Der Lautsprecherstoff war zwar fleckig und
wurde später ausgetauscht. Das Netzkabel sah ebenfalls nicht mehr gut aus. Der Regler für die Rückkopplung war
fest, der Knopf für die Sendereinstellung war schwergängig. Um keinen Schaden zu machen, ließ ich es gut sein.
Einen Funktionstest habe ich natürlich nicht durchgeführt. Dies kann bei solch alten Geräten sogar schädlich und
gefährlich sein.

Nun hielt ich es vor Neugier nicht mehr aus und war gespannt wie der Volksempfänger von innen aussah:



Hurra, alles soweit komplett und im Originalzustand. Dieses sieht man nicht oft! Der übliche Dreck und Keim.
Kein Wunder - nach 80 Jahren...
Bis zum ersten Wiedereinschalten ist noch eine Menge Arbeit nötig. Also ging es nun ans Werk.

Ich entfernte als erstes den Lautsprecher und löste dann beide Chassisschrauben am Gehäuseboden und
konnte jetzt das Chassis, nach dem Entfernen der Bedienknöpfe, herausziehen.







Eine Menge Dreck. Doch zuerst interessierte mich der Zustand unter dem Chassis. Erfahrungsgemäß siehts unter dem
Chassis meist besser aus als auf der Oberseite.
Also drehte ich alles um:



Was war das? Wo ist die originale Kondensatorbox? Und was macht eine Siliziumdiode am Röhrensockel der
Gleichrichterröhre RGN354? Und das ohne Vorwiderstand?!
Also wurde der Volksempfänger einmal überarbeitet. Laut Aufdruck auf den Austauschbauteilen ging das Gerät in
den fünfziger Jahren zu einer Radiowerkstatt in Reparatur. Leider wurde dann die Kondensatorbox entfernt und
in eine Lötleiste getauscht. Trotzdem mußten die "neuen alten" Elkos raus, da sie keine Kapazität mehr hatten.
Zudem schienen sie einmal sehr warm geworden zu sein.

Laut Schaltplan prüfte ich nun alles durch.
Der Netztransformator hatte keinen Durchgang auf der Primärspule.
Eine abgerissene Leitung war Schuld. Das war ja noch einfach.
Leider hatte ich mit dem 1:4 NF-Übertrager nicht soviel Glück.
Die Sekundärspule mit ihrer hauchdünnen Wicklung war durchgebrannt.
Nun war guter Rat teuer. Woher bekomme ich einen baugleichen Ersatz?



Als erstes reinigte ich das Chassis und entfernte dabei den defekten 1:4 NF-Übertrager, sowie den total
verdreckten Drehkondensator.
Wie bekomme ich nun den Drehko sauber und den Dreck zwischen den Platten wieder weg?
Ich entfernte die Skalenscheibe und legte den Drehkondensator für 10 Minuten in einen Ultraschallreiniger.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Blitzblank kam er aus dem Ultraschallbad heraus. Nachdem der Drehko
trocken gelegt wurde, schmierte ich seine Lager mit dem bewährten KONTAKT 61. Voila, wie neu!
Nun wurden noch alle Wellen und Achsen mit KONTAKT 60 / KONTAKT 600 gereinigt und mit KONTAKT 61 geschmiert,
bis sie wieder schön leichtgängig waren.
Die mit der Zeit geschrumpfte Skalenscheibe hatte so gut wie keine Führung mehr.
Eine passende Dichtung aus dem Baumarkt behob das Problem auf einfache Weise.





Kaum zu glauben. Der Drehkondensator blitzt und blinkt wie am ersten Tag!



Nach der Reinigung des Chassis ging die Arbeit unten drunter weiter:

Was machte ich nun mit dem defekten NF-Übertrager?
Eine Lösung wäre, den NF-Übertrager neu zu bewickeln. Da die Sekundärspule aber unter der Primärspule sitzt,
ersparte ich mir diese Strafarbeit.

Nach einigem hin und her, kam mir die Idee!
Das Nachfolgegerät, der VE301dyn besitzt fast die gleiche Schaltung, nur
ohne NF-Übertrager. Bei diesem Typ hat man auf den Übertrager verzichtet und stattdessen eine billigere
Widerstandskopplung verwendet. Wahrscheinlich gingen damals die Ressourcen in die Rüstungsproduktion.

Das nächste Problem wäre die fehlende Verstärkung ohne Übertrager gewesen. Die Röhre REN904 hat laut
Datenblatt nur eine Verstärkung von ca. 25fach. Ohne Übertrager reicht dies bei weitem nicht aus.
Der Übertrager hätte das NF-Signal nochmals 4mal verstärkt. Also suchte ich nach Ersatz.
Leider konnte ich eine AF7 Röhre, wie sie im VE301dyn verwendet wird, aufgrund des falschen Sockels nicht verwenden.

Fündig wurde ich endlich! Eine RENS1204-Röhre mußte her! Diese besitzt fast die selben Daten wie die der REN904,
hat aber einen Verstärkungsfaktor von ca. 250! Das sollte also für meine Zwecke reichen.
Ich mußte also den Röhrensockel geringfügig umlöten, da auf dem Anodenanschluß der REN904 nun das Schirmgitter
der RENS1204 liegt. Dieses Schirmgitter ist mit einem RC-Netzwerk zu verschalten. Zu Hilfe nahm ich ebenfalls
das Datenblatt der RENS1204.



Da nach dem Schaltplan des VE301dyn die Schirmgitterspannung für die RENS1204 zu hoch war,
lötete ich an den Schirmgitter-Anschluß nun ein zusätzliches RC-Netzwerk bestehend aus 10kΩ-Widerstand und
100nF-Kondesator gegen Masse. Leider war die Spannung nun etwas zu niedrig,
weshalb ich den Widerstand auf 100kΩ erhöhte.
Zur gleichen Zeit fand ich im Internet dieses Forum,
indem mein Problem mit dem defekten 1:4 Übertrager schon bekannt war.
Also änderte ich nur noch den 100nF-Kondesator zu einem mit 220nF. Das sollte eigentlich perfekt sein!

Als Zusatz spendierte ich dem VE301W noch einen NF-IN Anschluß. An diesen kann man ein kleines UKW-Radio,
Plattenspieler oder vieles mehr anschließen.
Realisiert wurde das mit einer an der Chassis-Rückseite verbauten Hohlstecker-Buchse. Der Weg von der Buchse
zum Steuergitter der RENS1204 ist somit sehr kurz! Es kommt daher zu keinen Störeinflüssen.



Betrachtet man sich die Spannungen im Schaltplan, hat man den Eindruck sie wären viel zu hoch.
(RES164: Schirmgitter: max. 80V / Anode: <=200V)
Dies ist tatsächlich so, obwohl die Primärspannung des Netztrafos dank dem 100
Ω/50W Vorwiderstand
zwischen 218V und 222V liegt.
Die Erklärung ist ganz simpel: Die Gleichrichterröhre RGN354 ist nagelneu und tatsächlich unbenutzt!
Wahrhaftig eine echte NOS-Röhre (New Old Stock). Somit hat die Röhre
Traumwerte, was ihren Innenwiderstand betrifft. Dieser ist sehr niedrig. (<80Ω)

Setzt man eine gebrauchte RGN354 mit höherem Innenwiderstand ein, so sind auch alle
gemessenen Spannungen im goldenen Mittelfeld des VE301W.
Hauptaugenmerk sollte man nicht auf die absoluten Spannungswerte legen, sondern vielmehr auf
die Spannungsverhältnisse. Diese müssen für eine einwandfreie Funktion stimmen!

Aber nun zu den Bauteilen:

Nun tauschte ich endlich alle Problemkandidaten aus. Angefangen mit dem 4µF und 2µF - Elko. Als Ersatz verwendete
ich 2x 6,8µF/450V Elkos. Den 1µF Elko tauschte ich ebenfalls mit einem baugleichen.
Danach erneuerte ich den "neuen alten" 4700pF Kondensator am Lautsprecher.



Jetzt konnte ich endlich die Schaltung a la VE301dyn aufbauen. "Neue", getestete Röhren hatte ich mir mittlerweile
schon besorgt. Die vorhandene Siliziumdiode entfernte ich natürlich. Eine mit gut getestete RGN354 fand den Weg in
das Gerät. Ich spendierte noch eine Skalenlampe von 6V und lötete sie am 4V-Heizungsanschluß an.
Noch ein neues Lautsprecherkabel und Netzkabel angelötet und schon konnte es an einen ersten Funktionstest gehen.
Die 0,5A-Gerätesicherung habe ich durch eine mittelträge 200mA Sicherung ersetzt,
da das Gerät nicht mehr als 25W ziehen sollte.

Damit man dieses Gerät später mit 230V statt mit 220V betreiben kann, verbaute ich noch einen 100Ω/50W -
Hochlastwiderstand hinter der Sicherung. Dieser sollte die übrigen 10V verbraten können.

Zum Funktionstest verwende ich einen Trennstelltrafo und eine dem Volksempfänger in Reihe geschaltete
100W-Glühlampe falls es zu Kurzschlüssen kommen sollte. Parallel dazu habe ich ein Multimeter am Anodenanschluß
der RES164 angeschlossen, um die Anodenspannung zu überprüfen.

Nachdem ich nun den Trenntrafo langsam hochdrehte, stieg die Anodenspannung auf knapp 400Volt an!
Sofort regelte ich herunter und überprüfte meine gesamte Schaltung noch einmal. Kein Fehler zu finden.
Warum lag dann an der RES164-Anode - Leerlaufspannung an?
Schuld waren die Röhrensockel. Sie hatten immernoch schlechten Kontakt. Also entfernte ich die Röhren und
schleifte mit einem kleinen Dremel-Diamantschleifkopf die Kontakte innen blank.

Nun sah es besser aus. Ein Rauschen war zu hören. Nach dem Anschluß einer 10m Drahtantenne konnte ich
in den Abendstunden deutlich mehrere Sender auf MW empfangen. Die Umbaumaßnahmen hatten sich also
gelohnt. Auch die Rückkopplung setzte schön weich ein.

Fehlte nur noch neuer Lautsprecherstoff und das Bakelit-Gehäuse poliert und der Volksempfänger ist wieder
funktionstüchtig!



Der Funktionstest ist erfolgreich!



Nachdem ich nun zufrieden bin, kann das Chassis wieder Platz im frisch gereinigten Gehäuse nehmen.
Hier noch einige Impressionen vom fertig restaurierten Volksempfänger:













Der fertig restaurierte Volksempfänger VE301W:



Einen Funktionstest habe ich natürlich in einem Video festgehalten.
Leider ist bei mir der Mittelwellenempfang in der Umgebung nicht sonderlich gut.



Bevor ich es vergesse. Dies ist die Sammlung der defekten Bauteile:



Über Kommentare würde ich mich freuen. Das wars erstmal von meiner Seite.